Hintergründe und Aufruf zum Mitmachen
Wie Sie sicherlich der Presse entnommen haben, gibt es derzeit in Hessen eine lebhafte Diskussion um den so genannten „Kommunalen Schutzschirm“. Dabei handelt es sich formal um das Hessische Schutzschirmgesetz, beschlossen vom Hessischen Landtag am 21. Mai diesen Jahres. Den Gesetzestext können Sie hier nachlesen.
Die Stellungnahme der hessischen Grünen dazu finden Sie hier.
Es können nicht alle Altschulden eingebracht werden. Es sind Entschuldungshilfen bis zu einer Höhe von 46% der Schulden des kommunalen Kernhaushaltes (bezogen auf 2009) möglich.
Die Nauheimer Parteien haben hier bereits Anfang des Jahres den Pfad gelegt, der es dem Gemeindevorstand ermöglichte, den Antrag formal zu stellen. Mit Beschlussvom 23.02.2012 der Gemeindevertretung wurde der Vorstand ersucht zu prüfen, ob und in welchem Umfang Nauheim unter den Schutzschirm treten darf.
Das strukturelle Defizit in Nauheim beläuft sich aktuell auf knapp 3 Millionen Euro im Jahr. Bei einer Einwohnerzahl von 10.050 macht das knapp 300 Euro neue Schulden pro Kopf und Jahr (unabhängig von Alter und sonstigen Faktoren). Auf den ersten Blick scheint der Kommunale Schutzschirm mit der vorgesehenen Entschuldung und der Zinshilfen ein Schritt in die richtige Richtung. Trotz Sparpolitik steigen die Schulden in den betroffenen Gemeinden immer weiter an.
Mit der Beantragung der Mittel aus dem Schutzschirm ist zwingend die Bereitschaft zur Haushalts-Konsolidierung verbunden. Über mehrere Jahre soll sukzessive das Haushaltsdefizit abgebaut werden. Ausgehend vom durchschnittlichen Fehlbetrag der Jahre 2010/2011 empfiehlt das Land mit einem Konsolidierungsbetrag von 100,- € pro Einwohner und Jahr anzufangen. Ziel ist ein ausgeglichener Haushalt spätestens bis zum Jahre 2020. Danach sollen Geldschulden nur noch dann aufgenommen werden, wenn der Zinsaufwand dafür nicht zum Verfehlen des Haushaltsausgleichs führt. Wenn man jetzt davon ausgeht, dass die Pro-Kopf-Verschuldung pro Jahr in Nauheim derzeit bei € 300,00 liegt, wird klar, dass auch unpopuläre Entscheidungen getroffen werden müssen. Durch die Übernahme von Altschulden im Rahmen der Schutzschirmvereinbarung wird Nauheim zwar deutlich weniger Zinsen zahlen müssen, aber das reicht bei weitem nicht aus, um das vorgegebene Ziel zu erreichen. Jede weitere Maßnahme zur Haushaltskonsolidierung wird den Bürger auf die eine oder andere Art treffen, sei es durch die Erhöhung von Steuern und Gebühren oder durch die Verringerung des Leistungsangebotes. Das Hessische Ministerium des Inneren und für Sport und der Präsident des Hessischen Rechnungshof haben einen Leitfaden zur Haushaltskonsolidierung für die Schutzschirm-Kommunen herausgegeben: Konsolidierungshandbuch Schutzschirm Dort findet man Vorschläge zu diese „unpopulären Maßnahmen“ In Nauheim wird derzeit über alle Parteigrenzen hinweg über Maßnahmen gesprochen, die ergriffen werden können. Dabei gibt es de facto derzeit keine Tabus oder Denkverbote. Alle Beteiligten sind sich über das Ziel einig, allerdings gibt es – und dies ist sicher kein Geheimnis – derzeit noch Unstimmigkeiten über den Weg. Bedacht werden muss hierbei auch, dass je Kopf ein Konsolidierungsbetrag von 100,- € / Jahr steht. Bei einem 4 Personenhaushalt und einem Alleinverdiener, kann dies de facto auch eine Mehrbelastung von 400,- € / Jahr bedeuten. Auf die Sozialverträglichkeit ist entsprechend also zu achten. Für die Gemeinde Nauheim gilt es – auch unabhängig vom Kommunalen Schutzschirm – den angehäuften Schuldenberg abzutragen und natürlich auch neue Schulden zu vermeiden und dabei idealerweise ihre Attraktivität noch zu behalten. Aber: mit einer Ausgabensenkung und einer Erhöhung von Steuern, Gebühren und Beiträgen ist es nicht getan. Auch die konsequente Einforderung des Konnexitätsprinzips gegenüber dem Land Hessen (z.B. bei der Kinderbetreuung) ist unabdingbar, da immer mehr Aufgaben vom Land auf die Kommunen abgewälzt werde, ohne dafür die notwendigen finanziellen Mittel zu erhalten. Zuletzt musste dies sogar gerichtlich eingefordert werden. „Wenn das Land die Kommunen zur Erfüllung staatlicher oder neuer kommunaler Aufgaben verpflichtet, hat es aufgrund Artikel 137 Abs. 6 der Hessischen Verfassung auch die Aufbringung der erforderlichen finanziellen Mittel zu regeln. Das gilt ebenso bei Ausweitungen bestehender staatlicher oder kommunaler Aufgaben. Mit dieser Ausgleichsregelung wird sicher gestellt, dass sich das Land nicht auf Kosten der Kommunen finanziell entlasten kann. Ferner sind die Kommunen davor geschützt, dass ihnen vom Land neue kommunale Aufgaben auferlegt werden, ohne die dafür notwendigen Finanzmittel zu erhalten. Die Kostenregelung kann darin bestehen, dass den Kommunen die notwendigen Finanzmittel aus dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellt werden oder dass eine neue Einnahmequelle eröffnet werden muss. Auch die Entlastung von bestehenden Aufgaben ist als Ausgleichsregelung möglich. Die Einzelheiten des Ausgleichsverfahrens sind mit dem Gesetz zur Sicherstellung der Finanzausstattung von Gemeinden und Gemeindeverbänden vom 7. November 2002 (GVBl. I S. 654) geregelt worden“
Wie geht es weiter?
Die Diskussion, wie die Haushaltskonsolidierung realisiert worden kann, hat gerade erst begonnen. Im Laufe des kommenden Halbjahres werden die ersten Ergebnisse der Interfraktionellen Arbeitsgruppe veröffentlicht und sicherlich in die Haushaltsberatungen für 2013 einfließen.
Wir wünschen uns, dass alle Nauheimer BürgerInnen an dieser Diskussion teilnehmen und Vorschläge in jeder Richtung einbringen. Auch würden wir gerne erfahren, wie Sie als BürgerIn zum Kommunalen Schutzschirm stehen.
Wir wünschen uns auf jeden Fall eine rege Beteiligung auch mit ungewöhnlichen und neuen Ideen.