Haushaltsrede

Anbei die Haushaltsrede unseres Fraktionsvorsitzenden:

 

Sehr geehrter Herr Gemeindevertretervorsteher,
Sehr geehrter Bürgermeister,
Sehr geehrte Damen und Herren Gemeindevertreter,
Liebe Bürgerinnen und Bürger,

die Gemeindevertretung der Legislaturperiode 2011-2016 tagt am heutigen Donnerstag zum letzten Mal.

– es gibt einen passenden Rahmen: Die Haushaltsberatungen 2016,
– es gibt das passende Publikum: die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde, die ihren Weg zu uns gefunden haben,
– und es gibt den passenden Zeitpunkt: kurz vor den Wahlen,

um sich bei der Haushaltsverabschiedung einmal darüber bewusst zu werden, wo wir 2011 begonnen haben und wo wir in 2016 enden.

Die ersten 2 Jahre dieser Legislaturperiode waren geprägt vom gemeinsamen Kennenlernen und des Einstiegs in die Diskussionen über die Bebauung des Feldchens, den Ausbau von U3-Plätzen, der Finanzlage und Ende 2012 mit dem Entschluss dem kommunalen Schutzschirm beizutreten.

Die Gemeinde Nauheim hat in den Haushaltsjahren 2009, 2010 und 2011 jeweils noch mit einem Defizit im ordentlichen Ergebnis von mehr als 3.000.000 Euro abgeschlossen. In den beiden Folgejahren wurden noch negative Ergebnisse von ca. 2.000.000 Euro verbucht. Lediglich außerordentliche Erträge (Feldchen-Verkauf, Kostenrückerstattung der Bahn etc.) sorgten letztlich dafür, dass der Gesamtschuldenstand seit 2011 nicht weiter angestiegen ist. Als dann zu Beginn 2014 klar wurde, dass die Annahmen für die Einnahmen aus der Einkommensteuer mit der Realität nicht übereinstimmen, begann eine hektische Suche nach Ursachen und Alternativen.

Ursache war die irrtümliche Annahme, Einkommensteuerprognosen immer fortschreiben zu können. Lag die Differenz zwischen Annahme und Realität in 2001 noch bei einem Wert von knapp 30.000 Euro, so ist diese bis 2013 auf sagenhafte 1,8 Millionen Euro angewachsen. 1,8 Millionen Euro, die zum Ende des Jahres 2013 dafür sorgten, dass wir aus einer ‚Muster-Kommune‘, die in der Prognose die Ansprüche an den Schutzschirmvertrag übererfüllte, zu einem echten Sorgenkind wurden.

Die Folgen sind allen noch bekannt: Anstieg bei den Kindergartengebühren, Aufarbeitung der klassischen Gebührenhaushalte und schließlich die Verdreifachung der Grundsteuer B, die uns mit 960 Punkten Deutschlandweit einen Spitzenplatz belegen lässt, wenn auch erste Kommunen inzwischen Haushaltssatzungen mit mehr als 1000 Punkten ins Auge fassen. Die Entscheidung zur Haushaltskonsolidierung ist nie einfach. Sie ist auch nicht, wie manche meinen, in kleinen Schritten zu fassen. Der Schritt war hart, leider aber auch notwendig. Als solcher aber ebenso, und das ist durchaus eine selbstkritische Wahrheit, die von jedem hier hinterfragt werden sollte: Intransparent und geprägt von wenig Austausch mit den Bürgern, weil sie schnell erfolgen musste. Hieran muss die nächste Gemeindevertretung arbeiten. Ich hoffe, dass das kommende Rats- und Bürgerinformationssystem uns hier einen entscheidenden Schritt nach vorne bringt.

Wo stehen wir heute? Wenn die Gemeindevertretung diesem Haushalt zustimmt, werden wir im dritten Jahr in Folge einen ausgeglichen Haushalt vorlegen und nach einem erfolgreichem Abschluss 2016 als nächste Kommune nach Kassel aus dem Schutzschirmvertrag entlassen werden. Die Gemeindevertretung hinterlässt somit den nächsten Vertretern keine Sorgen, sondern bereitet diesen, den Weg dazu, Entlastungen zu erreichen und die Belastungen der Bürger wieder zurückzufahren. Hiermit schließt die Gemeindevertretung den selbsteröffneten Kreis und hinterlässt ein gutbereitetes Feld.

Erinnern muss man an diesem Punkt allerdings auch daran, dass wir vor gerade einmal 2 Monaten schon einmal über die Frage diskutiert haben, ob wir den Haushalt 2016 nun beschließen oder nicht. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich SPD, GRÜNE, FLN und FDP mit einem Antrag durchgesetzt die Haushaltsberatungen zu verschieben, weil uns die Datenlage zu gering erschien. Zwischen Haushaltseinbringung im Oktober des vergangenen Jahres und den Beratungen lagen 1,5 Monate. Dennoch wurde das Gesamtkonstrukt (Nachtrags-)Haushalt 2015/2016 und Entwässerungssatzung erst wenige Tage vor dem Beginn der Sitzungsrunde komplett über den Haufen geworfen. Man präsentierte ein völlig neues Konzept, dass bei einem Anstieg der Entwässerungsgebühren eine Absenkung der Grundsteuer B um 100 Punkte in Aussicht stellte. Schon damals haben wir gewarnt, dass eine verlässliche und nachvollziehbare Planung Grundlage für die Beratungen seien müssten.

Was haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU uns gescholten. Der Haushalt sei nur auf 4 Seiten geändert, dann waren es nur noch 2 Seiten, bis hin zu der Aussage, dass nur 2 Zahlen auszutauschen seien und wir bitte schön den Haushalt mittragen sollen. Und heute? Sind wir alle schlauer! Den Haushalt mit den alten Zahlen zu beschließen, hätte uns in die Situation geführt, dass wir spätestens mit einem Nachtrag

– die Grundsteuersenkung hätten zurückführen müssen – womöglich rückwirkend.
– wir die Bürger mit der im Ankündigungsbeschluss verabschiedeten Höhe der Entwässerungsgebühren voll belastet hätten.

Nein, es war die richtige Entscheidung den Haushalt in das neue Jahr zu schieben und eine gewissenhafte Planung auf nachvollziehbaren Daten durchzuführen. Es war das, von uns GRÜNEN mit einem entsprechenden Antrag auf den Weg gebrachte, Berichtswesen, dass uns diese neue Planung heute ermöglicht. Und es sollte Konsens und Grundsatz für die Zukunft sein, dass der gewissenhafte Umgang mit Plan- und Ist-Zahlen das oberste Gebot der Stunde sind, wenn es darum geht über die Finanzen der Gemeinde zu sprechen.

Bei den Bürgern ist eine Erwartungshaltung entstanden, die wir heute nicht erfüllen können. Sicher ist die jährliche Überprüfung der Grundsteuer B und aller anderen Belastungen der Bürger zu prüfen ein Ziel, dass auch wir GRÜNE nicht aus den Augen verlieren. Es ist aber grundsätzlich immer Aufgabe aller Gemeindevertreter dies bei jeder Haushaltsberatung zu tun. Denn dies ist letztlich die Vorgabe der HGO, wenn es heißt, dass die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen,

(1) soweit vertretbar und geboten aus Entgelten für ihre Leistungen,
(2) im Übrigen aus Steuern

zu beschaffen hat, soweit sonstige Erträge und Einzahlungen nicht ausreichen. (§93)

Damit sollte jedem klar sein, dass die Höhe der Grundsteuer B immer das letzte Mittel sein muss, dass man anwendet um den Haushaltsausgleich anzustreben. Aber, um dies vorwegzunehmen, liebe Kollegen der SPD, ich halte es auch nicht für statthaft, als Kommune immer nur in Richtung Land und Bund zu schauen, wenn wir gleichzeitig unsere eigenen Hausaufgaben nicht gemacht haben.

„Wir haben als Stadtparlament die Aufgabe und die Pflicht zu wissen wofür Gelder im Einzelnen ausgegeben werden. Das hat weder etwas mit Schikane noch mit mutwilliger Gängelei zu tun.“

Ein sehr kluger Satz. Ich glaube ich habe ihn schon einmal zitiert. Frank Tollkühn, ehemaliges und vielleicht auch künftiges Fraktionsmitglied der SPD in Rüsselsheim, hat ihn anlässlich einer Debatte über die Wirtschaftsförderung in Rüsselsheim gesprochen. Er fasst im Grunde das zusammen, was unsere Aufgabe als Gemeindevertreter ist.

Wenn jetzt nach einer Hauptversammlung einer Partei in der Presse zu lesen ist:

„Die GRÜNEN arbeiteten positiv mit. Störend seien aber die vielen Anfragen und Prüfanträge. Diese Themen könnten auch auf anderem Wege beantwortet oder geklärt werden. Alles andere belaste und blockiere die Verwaltung.“

muss ich feststellen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Wenn unsere Anfragen belastend und blockierend sind, dann haben wir ein Problem. Und zwar nicht mit der Anfrage, sondern mit dem Informationsfluss. Und wir fühlen uns damit ja auch nicht alleine. Es hat im Grunde mit Ausnahme einer, alle Parteien im Dezember gestört, dass die Haushaltsunterlagen zeitlich zu spät, unvollständig oder gar nicht vorlagen. Es stört auch Mitglieder dieser einen Partei, dass Ausschüsse Unterlagen nur unvollständig erhalten. Nachvollziehbar, jedoch sogar mit Segen des Hessischen Städte- und Gemeindebundes. Es stört mich, als Vorsitzender des Ausschusses für Bau, Planung und Umwelt, dass ich in der letzten Sitzung der Legislatur eine 2/3-Mehrheit abfragen muss, um 8 Tagesordnungspunkte aufnehmen zu lassen.

Und auch bei diesen Haushaltsberatungen zieht sich dieses Thema weiter wie ein roter Faden.

– Der Antrag von SPD, GRÜNE, FLN und FDP: im Grunde nicht umgesetzt.
– Der Fragenkatalog zur Entwässerungssatzung: 1 Tag vor dem letzten BPU.
– Die Anfrage zum Freiwilligen Polizeidienst vom 25. November: nicht beantwortet.
– Vorbereitende Tischvorlage für die Haushaltsberatungen im HFA: nicht vorhanden.

Es ist immer wieder eine Operation am offenen Herzen, die wir hier wagen. Wir sind als Gemeindevertreter darauf angewiesen, auf verlässlichen und nachvollziehbaren Informationen Entscheidungen zu treffen. Das was wir gerade tun, ist auf einem ‚schmalen Grad‘ zu wandeln. Es ist auch kein „überarbeitetes Serviceangebot“ des Vorstands an die Gemeindevertretung, wenn neue Informationen vor den Beratungen an die Gemeindevertretung gehen. Genauso wenig es Sinn macht, sich ausgerechnet bei der Einkommensteuer darauf zu berufen, dass man solche Abweichungen in früheren Jahren kurzerhand im Nachtragshaushalt korrigiert hätte. Da komme ich doch mal zurück auf die eingangs genannte „Einkommensteuerprognosestörung“, die Nauheim letztlich in Summe 10 Millionen Euro gekostet hat und zur aktuellen Situation maßgeblich beigetragen hat.

Kurzum: Natürlich war es auch im Rückblick richtig, die Haushaltsberatungen für 2015 im letzten Jahr abzuschließen, während wir die Haushaltsberatungen für 2016 in diese Sitzung verschoben haben. Beides war letztlich zum Wohle der Gemeinde und auch Ihrer Bürger. Dies führte zwar nicht zur Senkung der Grundsteuer B, jedoch immerhin dazu, dass wir die Belastungen beim Thema Abwasser abfedern konnten und mit der realistischen Ausgestaltung der Gebührenkalkulation eine übermäßige Erhöhung verhindert haben. Entsetzt bin ich darüber, wie in der HFA-Sitzung mit den Themen „kalkulatorischer Zins“ und „Erarbeitung von Einsparpotentialen durch die Verwaltung“ von einzelnen umgegangen wurde. Man kann nicht auf der einen Seite die Grundsteuer senken wollen und auf der anderen Seite bei möglichen Entlastungen der Bürger zurückzucken.

Für uns GRÜNE, dies sei an dieser Stelle gesagt, sind in den Haushaltsberatungen auch Kompromisse geschlossen worden, die für uns nur schwer zu vermitteln sind. Hier ist die ausgebliebene Erhöhung des Budgets für das Kinder- und Jugendparlaments zu nennen, aber auch die erneute Aufnahme einer Vollmitgliedschaft im Regionalverband, der eine reine Werbeveranstaltung der Fraport AG ist, die sich in vergleichbar geringen Umfang als Wohltäter der Region aufspielt, uns auf der anderen Seite aber in erheblichem Maße belastet und die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Bürgerinnen und Bürger einschränkt. Wir lehnen dies ab, wenngleich wir dem Haushalt heute in Gänze zustimmen werden.

Ich bitte auch alle anderen Fraktionen um Zustimmung. Vielen Dank.

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