Ich möchte an dieser Stelle die Chance nutzen, die im Nachgang zur Gemeindevertretung vom vergangenen Donnerstag vom Gemeindevertretervorsteher Karl-Norbert Merz und dem Bürgermeister Jan Fischer erhobenen und in der Tagespresse verbreiteten Vorwürfe bezüglich meiner Nichtteilnahme an der Abstimmung zur Schulkindbetreuung Stellung nehmen.
Ich bin einigermaßen verwundert über diese Form des ‚Nachtretens‘ über die Presse. Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass es sich bei der Frage der Teilnahme an einer Abstimmung nicht um „eine Grauzone“ handelt, wie das hier wiedergegeben wird.
In der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) ist die Abstimmung unter Paragraf 54 beschrieben. Während in Absatz 2 festgehalten ist, dass geheime Abstimmungen nicht zulässig sind, beschreibt Absatz 1 wie Beschlüsse gefasst werden. Nämlich mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (was sich in diesem Fall auf die Frage der Mehrheit [einfach, absolut oder 2/3] bezieht). Bereits im ersten Satz ist somit festgehalten, dass es abgegebene aber eben auch nicht-abgegebene Stimmen gibt. Weitergehend legt Satz zwei dieses Absatzes fest, dass es vier verschiedene Stimmen gibt: Ja, Nein, Enthaltung und eben ungültige Stimmen. Bei einer Abstimmung mit Aufzeigen und der Nachfrage der einzelnen Stimmanteile gibt es für Abgeordnete nicht besonders viele Möglichkeiten, die Stimme „ungültig“ zu machen. Eine ist es, die Stimme eben nicht abzugeben. Sie zählt dann nicht in das Ergebnis ein.
Und damit komme ich zum zweiten Vorwurf, den dass mein Verhalten „einigermaßen unproduktiv im Sinne eines demokratischen Auftrags“ sei. Wie oben bereits aufgezeigt, ist die Verweigerung einer Stimmabgabe bereits in der HGO vorgesehen und somit müsste ich die Frage aufwerfen, ob die rechtliche Grundlage unserer Tätigkeit bereits „undemokratisch“ ist. Ich finde diese Vorstellung einigermaßen beunruhigend.
Allerdings fügt diese sich dann in das Verhalten im Haupt- und Finanzausschuss der vergangenen Woche ein. Dort haben der Gemeindevertretervorsteher und der Bürgermeister gemeinsam das Abstimmungsergebnis bei meiner Nicht-Teilnahme in Frage gestellt, das Ergebnis ungültig erklären und die Abstimmung, nach der nachdrücklichen Bitte an mich den Raum zu verlassen, noch einmal wiederholen lassen. Aus meiner Sicht ist genau dies nämlich nach HGO nicht zulässig und verstößt somit gegen demokratische Grundsätze. Hierzu verweise ich auf Paragraf 52 HGO, der die Öffentlichkeit thematisiert. Dort ist festgehalten, dass die Gemeindevertretung (und ihre Ausschüsse) grundsätzlich öffentlich tagt. Dies kann auch nur auf Antrag und Beschluss in Einzelfällen in eine Nichtöffentlichkeit geändert werden und gilt ausdrücklich nicht für Gemeindevertreter oder Mitglieder des Gemeindevorstands.

Mit dem Verweis aus der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses wurden meine demokratischen Grundrechte insbesondere als Gemeindevertreter aber auch als Bürger der Gemeinde Nauheim unzulässigerweise eingeschränkt. Die Kommentierung von §52 HGO bezieht sich in diesem Fall sogar auf Artikel 20 Grundgesetz, so dass man von einem erheblichen Verstoß gegen demokratische Gepflogenheiten ausgehen muss.
Es gibt für mich keinen Grund das Ergebnis des Ausschusses in Frage zu stellen, da meine Stimme keine entscheidende Veränderung am Ergebnis der Abstimmung ergibt. Ich bin allerdings auch nicht damit einverstanden, dass mir hier nachgesagt wird, dass ich meinem demokratischen Auftrag nicht nachkomme oder gar unproduktiv sei. Diesen Vorwurf weise ich ausdrücklich zurück.
Zur Frage der Produktivität möchte ich ergänzen, dass ich meiner eigentlichen Aufgabe als Gemeindevertreter, nämlich der Überwachung der gesamten Verwaltung der Gemeinde (vergl. §50 HGO), in diesem Fall durch Teilnahme an der Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt ausdrücklich wahrgenommen habe. Dies mit einem Redebeitrag im Haupt- und Finanzausschuss und zwei Redebeiträgen in der Gemeindevertretung.
Sollte es immer noch nicht jedem verständlich sein, warum ich diese Vorlage für nicht abstimmungsfähig halte und mich deshalb der Abstimmung verweigert habe, möchte ich dies hier noch einmal kurz klarstellen:
- In den Haushaltsberatungen wurde der Budgetansatz 2019 bei den Personalkosten im Bereich Schulkindbetreuung gegenüber dem Haushaltsjahr 2018 um ca. 35.625 Euro gekürzt. Der Ansatz 2018 wurde wohlgemerkt noch für 100 Betreuungsplätze gefasst.
- Das Betreuungspersonal wurde bei den Fachkräften reduziert und nur mit Nichtfachkräften teilweise aufgefangen.
- Begründet wird dies seitens des Bürgermeisters mit dem Wegfall der Betriebserlaubnis, durch die eine Integrationsbetreuung nicht mehr möglich sei und wegen der er den Fachkräfteansatz reduziert hat. Für mich ist diese Aussage nicht haltbar, denn unabhängig von der Frage, ob man formell Integrationsmaßnahmen durchführen darf, zwingt uns niemand bei einer Freiwilligen Leistung den Personalschlüssel zu senken. Dies ist einzig und allein die Entscheidung der Gemeindevertretung, die diesen Beschluss auf Vorlage des Bürgermeisters zum Haushalt getroffen hat.
- Die Schulkindbetreuung wird somit, ausgehend vom Januar 2018, mit einer Mehrbelastung von bis zu 60 Prozent bei gleichzeitiger Personalbudgetreduktion um sechs Prozent für das Haushaltsjahr 2019 geplant. Unabhängig von Diskussionen um Räumlichkeiten oder ähnlichem.
- Neben der Frage nach der Betreuungssituation für Eltern haben wir als Gemeindevertreter auch die Pflicht uns um die Situation der Betreuerinnen und Betreuer, aber insbesondere auch der Kinder zu kümmern. Diese Frage wird durch das Verhalten beim Haushaltsbeschluss und in dieser Vorlage nicht beantwortet.
- Und zuletzt fühle ich mich gewissermaßen als Gemeindevertreter auch betrogen. Die Personalsituation wurde seitens der Grünen in der Haushaltsdebatte immer wieder thematisiert. Wenn die Erzieherinnen, welche im Sozialausschuss zur Situation in der Schulkindbetreuung gesprochen haben, dies bereits vor sechs Wochen getan hätten, bin ich mir sicher, wäre die Kürzung nicht in einer Gesamthöhe von 335.000 Euro im Mittelansatz der Schulkindbetreuung durchgeführt worden.
Marco Müller, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen in der Gemeindevertretung Nauheim

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