Die Haushaltsrede unseres Fraktionsvorsitzendem vom 05.06.2014 (Rechtschreib- und Grammatikfehler miteinbegriffen 😉 ):
Sehr geehrter Hr. Gemeindevertretervorsteher,
Sehr geehrter Hr. Bürgermeister,
Sehr geehrte Damen und Herren,
„Der Haushalt soll in jedem Haushaltsjahr unter Berücksichtigung von Fehlbeträgen aus Vorjahren ausgeglichen sein.“, so steht es in §92 Abs. 3 der HGO.
Weiterhin gibt §93 Abs. 2 den Erfüllungsrahmen vor, dort heißt es:
„(2) Die Gemeinde hat die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen
1. soweit vertretbar und geboten aus Entgelten für ihre Leistungen,
2. im Übrigen aus Steuern
zu beschaffen, soweit die sonstigen Erträge und Einzahlungen nicht ausreichen.“
In den vergangenen Wochen ist in der Presse, den Ausschüssen und der Gemeindevertretung viel über Gebühren und deren Erhöhungsschritte gesprochen worden. Einigkeit besteht hier bei allen Beteiligten, dass die aufwandsbezogenen Gebühren der klassischen Gebührenhaushalte (also z.B. Abwasser und Abfall) Kostendeckend zu erheben sind. Dies ergibt sich schon aus der Hessischen Gemeindeordnung und bedarf somit auch keiner weitergehenden Diskussion.
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Anders sieht es bei der Erhebung von Gebühren in den Sozialleistungsbereichen aus – also Kindergarten (Pflichtleistung) und Schulkindbetreuung (freiwillige Leistung). Hier gibt es zwar Richtlinien, welche Zielwerte definieren, nicht jedoch scharfe Grenzen. Die Gemeindevertretung ist hier (weitestgehend) frei, in welcher Höhe sie Gebühren festsetzt oder aber die Kosten auf die Allgemeinheit umlegt.
In Nauheim hat die Gemeindevertretung bereits in der Legislatur 2001-2006 beschlossen den Zielwert des Landes (33% Deckungsgrad aus Gebühren) dahingehend zu ändern, dass 33%, jedoch mind. 30%, aus Einnahmen (also Gebühren und Landeszuschüssen) als Zielwert erreicht werden sollen. Das bedeutet aber auch, es können bis zu 70% der Kosten für die Kinderbetreuung und -erziehung auf die Allgemeinheit umgelegt werden. Diesen Bereich des Deckungsgrades hat man bei den Gebühren für Ü3 und Schulkindbetreuung mit nur sehr geringen Abweichungen immer erreicht. Bei der reinen U3-Betrachtung ist hier eine deutliche Abweichung zu erkennen. Dies ist auch der Grund, warum eine (immer noch deutliche) Anhebung der U3-Gebühren nicht verhindert werden konnte.
Wir sind an dieser Stelle froh, dass die Gesprächsbereitschaft der Elternvertreter im Gesamtelternbeirat, aber auch der übrigen Eltern, und das grundsätzliche Verständnis für die schwierige Situation der Gemeinde dazu geführt hat, dass wir in einem guten und vor allem offenen Dialog zu einem gemeinsamen Verständnis und damit verbunden gemeinsam tragbaren Ergebnis gekommen sind. Dafür bedanken wir uns ausdrücklich.
Die Argumentation jedoch, dass wir die Gebühren erhöhen müssen, weil seit sieben Jahren keine Anpassung der Gebühren mehr erfolgte, ist nicht richtig. Wir erhöhen die Gebühren, weil der Deckungsgrad heute nicht erreicht wird, nicht, weil wir in der Vergangenheit nichts getan haben – was zweifelsohne trotzdem der Fall war und deshalb die Fallhöhe erweiterte.
Auch bei den übrigen Sparmaßnahmen wird es harte Einschnitte geben, die letztlich alle Bürger treffen. Die Kürzungen bei Vereinsförderung und die Erhebung von Nutzungsgebühren der Sportstätten und Hallen wird ebenfalls jeder von uns tragen müssen. Bei der Verschiebung von Erhaltungsmaßnahmen, Instandhaltungskosten und Investitionen in die Infrastruktur gilt es mit Augenmaß den richtigen Mittelweg aus Sparen und Instandhalten zu finden. Ein Blick in die Nachbarschaft sollte mahnendes Beispiel für Nauheim sein, den Bogen hierbei nicht zu überspannen.
Aber auch der Verwaltung gilt es an dieser Stelle einmal Respekt zu zollen. Auch hier wird es in den kommenden Jahren zu tiefergehenden Veränderungen kommen. Mehr als 100.000 Euro pro Jahr sollen hier eingespart werden, was letztlich nichts anderes bedeutet, dass organisatorische Veränderungen anstehen und umgesetzt werden müssen. Die Arbeitsbelastung für den Einzelnen wird dadurch Stellenweise noch weiter anwachsen, interdisziplinäre Aufgaben zunehmen. Aber es wurde auch die Bereitschaft signalisiert, nicht an Dingen festhalten zu wollen, die für Außenstehende symbolischen Charakter haben.
Alles in allem konnten von dem geplanten Defizit von 3,4 Millionen Euro so ca. 1 Million Euro eingespart werden. Trotz aller Anstrengungen ist es kurzfristig nicht möglich gewesen diesen Betrag noch zu erhöhen, was uns letztlich dazu bringt, dass weitere 1,7 Millionen Euro über andere Maßnahmen zu erzielen sein werden.
Dies bringt uns zurück auf den Eingangs erwähnten §92 Abs. 2 Satz 2:
im Übrigen aus Steuern
Den Kommunen steht es hierbei jedoch nicht frei beliebig die Einkommenssteuer zu erhöhen oder eine Vermögenssteuer zu erheben. Diese sind fest in staatlicher Hand.
Die Kommunen können nur in einem eng gesteckten Feld Einnahmen generieren: Gewerbesteuer, Hundesteuer, Jagdsteuer, Zweitwohnsitzsteuer, Vergnügungssteuer und eben die Grundsteuern. Es soll Kommunen geben, die Bräunungs- oder Stehtischsteuern (Essen) oder gar Sexsteuern (Dortmund) erheben. Doch mit Ausnahme der Gewerbe- und Grundsteuern handelt es sich hierbei ausnahmslos um Klein- oder Kleinststeuererhebungen.
Die Gemeinde Nauheim erhebt ab dem kommenden Jahr eine Zweitwohnsitzsteuer, mit der wir uns Haushaltseinnahmen in Höhe von 80.000 Euro versprechen. Ob diese über den Posten Zweitwohnsitzsteuer oder aber Einkommenststeuer kommen, ist zunächst einmal nicht festzustellen. Der Haushaltsansatz ist eine Prognose und wird im kommenden Jahr überprüft werden müssen. Diese nicht zu erheben, weil die Einnahmen auf Basis von Gerüchten eventuell nicht zu erzielen seien, dient nicht der Sache, sondern geht am Ziel vorbei.
Die Erhöhung der Gewerbesteuer wird aufgrund des zurückliegenden Jahres nur das kompensieren können, was wir an Mindereinnahmen in diesem Jahr zu erwarten haben. Die Hundesteuer haben wir bereits zu Beginn des Jahres erhöht.
Nun bleibt unter dem Strich nur eine Steuerart, welche als verlässliche Steuer eine Möglichkeit bietet den Haushalt auszugleichen: Die Grundsteuer B.
Meine Damen und Herren, ich hatte eingangs einmal erwähnt, dass in Nauheim in den vergangenen Wochen viel über den Umstand gesprochen wurde, dass wir in den vergangenen Jahren an den Gebührenschrauben nicht gedreht hat und unser Haushaltsdefizit auch deshalb ansteigt. Nun frage ich mich: Warum wird diese Aussage immer nur im Zusammenhang von Gebühren getroffen, warum wird solch ein Diskussionsansatz nicht auch bei der Grundsteuer (auch über Nauheim hinaus) verfolgt. Gebühren werden auch deshalb erhöht, weil die Gebührenträger Inflationsbereinigt werden müssen. Die Kosten für Abfall- und Abwasser steigen, also müssen die Gebühren erhöht werden. Das Aufkommen der Gewerbesteuer ist auch Inflationsabhängig.
Schauen wir uns doch an, was bei der Grundsteuer B passiert. Die Einheitswerte zur Ermittlung der Grundsteuern stammen aus dem Jahr 1964. Seit diesem Zeitpunkt wurden keine neuen Bewertungsmaßstäbe ermittelt. Jedes im Jahr 2014 gebaute Haus wird bewertet, auf Maßstäben die schon 1964 galten. Verfolgt man die Daten des Statistischen Bundesamtes (leider erst ab 1968) liegt der Preisindex für ein Einfamilienhaus ohne Keller 1975 bei 29,1 Index-Punkten. Im Jahr 2014 jedoch bereits bei 113,2. Eine Steigerung um 289 % – während der Einheitswert unverändert blieb.
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Eine Grundsteuerbetrachtung am Beispiel der Stadt Wiesbaden im gleichen Zeitraum zeigt jedoch nur einen Anstieg der Grundsteuer B um 36% von 350 auf 475 v.H. Zieht man jetzt die Sozialleistungsbereiche in die Betrachtung ein, ist festzuhalten, dass selbst bei Inflationsbereinigung des 33% Anteils aus Einnahmen, der Bereich der auf die Allgemeinheit umgelegt werden muss in den vergangenen 40 Jahren ebenfalls mit der Inflation angewachsen ist und wie eine Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben weiter geöffnet wurde.
Wohl dem, der ein funktionierendes Gewerbe oder aber hohe Einkommenssteuerquoten hat.
Ich möchte mit diesen Daten nicht das entschuldigen, was wir heute mit einer Verdreifachung der Grundsteuer B tun. Dies ist ein Vorgang, der keinem Spaß macht und der uns allen Schmerzen bereitet. Dennoch ist er zwingend notwendig, um unseren Kindern und Nachkommen nicht eine noch höhere Last aufzusatteln und die Generationenungerechtigkeit nicht noch weiter zu verschärfen. Ihre und meine Kinder werden es sein, die unvernünftige Beschlüsse in der Renten- und Pflegeversicherungspolitik einmal tragen müssen. Ihre und meine Kinder werden es sein, die mit dem umgehen müssen, was wir, ihre Eltern, ihnen heute hinterlassen.
Sparen ist kein Selbstzweck. Geld ausgeben, was man nicht hat aber noch weniger. Schulden machen kann man – wenn man sie auch bezahlen kann. Die Gemeinde Nauheim ist 2013 unter den Schutzschirm gegangen, weil es uns nicht mehr möglich war, die Schulden aus eigener Kraft zu bezahlen. Wir sparen damit wir, so wir denn wieder Boden unter den Füßen habe, als Kommune wieder investieren und als Kommunalpolitiker wieder Projekte realisieren können – damit wir die Attraktivität der Gemeinde wieder steigern können.
Ich bitte Sie darum Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen und um Zustimmung zu diesem Haushalt.
Vielen Dank.[/EXPAND]

Klasse geschrieben, ich fange gleich an zu weinen……
Es ist immer sehr einfach sich bei anderen zu bedienen, gerade bei denen die nicht so einfach „weglaufen“ oder sich nicht wehren können….. Was macht Ihr aus Nauheim?? Ich verstehe vieles und akzeptiere noch mehr, aber von 320% auf 960%??? Ich bekomme nicht mal schnell 100 € mehr von meinem Arbeitgeber, die mir jetzt fehlen……. Ihr sollte auch mal daran denken, das die Löhne und Gehälter auch nicht so steigen wie Ihr uns es immer versuch zu verkaufen… Ich sehe es bei mir,
und ich bin kein Einzelfall, ich habe seit 5-6 Jahren einen Reallohnverlust von ca.6 % pro Jahr! Und dann kommt ihr und knallt einem mal nebenbei und auch noch rückwirkend eine nette Steuererhöhung rein. Und hört auf von unseren Kinder zu reden. Das hat schon unter Helmut Kohl nicht gezogen bzw., da war euch das auch egal! Redet auch nicht über Inflation, die trifft uns nämlich auch!
Und was kommt nächste Jahr, wenn ihr es wieder nicht gebacken bekommt? Geht es dann auf 3000% rauf? Macht Ihr euch auch mal Gedanken, das Nauheim dadurch, auf die Dauer, unattraktiv wird??
Mit freundlichen Grüßen